Day 3
Aufstehen, Zähneputzen, weißes Hemd anziehen, Krawatte binden und Taxi nach Harlem herbeiwinken! Heute ist Sonntag und wir machen uns auf den Weg zur Abyssinian Baptist Church in Harlem um dort den Gottesdienst zu besuchen. Dort angekommen wurden wir von einer freundlichen Dame in schickem Kleid und einem Hut wie ein Waagenrad auf dem Kopf überaus freundlich mit den Worten „Welcome to Harlem“ begrüßt und wir reihten uns brav in die Reihe der dort wartenden Touris ein! Wir wollten den früheren der beiden Gottesdienste um 09:00 Uhr besuchen und waren so gegen 08:20 Uhr vor Ort und hatten ungefähr 30 Wartende vor uns in der Schlange. Kurz nach unserer Ankunft kam ein weiteres Taxi angefahren, spuckte eine hocharroganten Chanel-Tussi auf Highheels und ihren Macker aus, die mal ganz dreist an der Schlange vorbei zum Kircheneingang gingen und nach zwei Minuten mit gesenktem Haupt wieder zurück kamen um sich brav hinten anzustellen!
Harlem? Find ich gut!!!
Nachdem die meisten Gemeindemitglieder wohl erschienen waren und abzusehen war, dass auch für die Touris noch genügend Platz sein würde, wurden wir so gegen 09:10 Uhr in kleinen Gruppen in die Kirche zum Gottesdienst geführt.
Ich bin heute noch sehr begeistert, wenn ich an unseren Morgen in der Abyssinian Baptist Church zurück denke. Ich will versuchen, die verschiedenen Eindrücke zu beschreiben, so wie ich sie erlebt habe. Schon auf dem Weg zu unseren Plätzen hörten wir den Chor ein stimmungsvolles Lied schmettern und darauf hin übernahm der Minister das Wort und verkündete erst mal alle möglichen organisatorischen Dinge und die Termine der Gemeinde in der nächsten Woche. Das alles wurde von launigen Bemerkungen unterbrochen mit denen er sich über den ganzen Papierwust auf der Kanzel beklagte und darüber, dass sich keiner schämen würde, im immer noch mehr Papier zuzustecken. Zwischendurch verlas er noch eine Verkehrsmeldung und forderte einen Falschparker auf, sein Fahrzeug zu entfernen. Dies alles wurde von vielen Lachern aus der Gemeinde begleitet. Überhaupt war es eine sehr gelöste und freudige Veranstaltung und nicht die ernste und angepasste Stimmung, wie ich sie aus deutschen Kirchen kenne. Wer hier mit dem Minister einer Meinung war sprang spontan von seinem Sitz in die Höhe und rief ein „Amen“ in die Runde, wenn ihm danach war. Auch die Predigt beschäftigte sich mit weltlichen Dingen und Problemen der Gemeindemitglieder mit Bezug zur Weltsituation (Aids und Wirtschaftskrise). Hier ging es nicht um die Auslegung von Bibelversen sondern um die Situation der Menschen in der Gemeinde. Der Gottesdienst wurde von einer Aufführung der Tanzgruppe der Gemeinde und einem „Ave Maria“ des Chores unterbrochen, was für sich schon ein Erlebnis war.
Was mich am tiefsten berührt hat, war jedoch die Begrüßung von uns Touristen durch den Minister und die ganze Gemeinde. Der Minister hatte bereits alle wichtigen Besucher namentlich begrüßt und alle hatten ihren Applaus bekommen, als er auf einmal das Wort an alle anderen Besucher, die von weit her gekommen sind, richtete und uns alle herzlichen Willkommen hieß und uns bat, uns von unseren Plätzen zu erheben! Ich schaute ungläubig zu einem Kirchendiener, der zwei Schritt neben uns stand und der mir aufmunternd zunickte und uns mit seiner Handbewegung zu verstehen gab, dass wir doch bitte aufstehen sollten. Das taten dann nach und nach alle Touris begleitet vom Applaus der Gemeinde! Die vor uns sitzenden Besucher des Gottesdienstes drehten sich in ihrer Bank um und schüttelten uns lächelnd die Hände. Auch der Kirchendiener trat zu uns, streifte voller Eleganz seine weißen Handschuhe ab und reichte uns die Hand....Ich muss ehrlich sagen, dass ich von dieser Geste sehr überwältigt war und mich auch heute noch ein kleiner Schauer überläuft, wenn ich unseren Freunden davon berichte. Vielleicht muss man auch einfach dabei gewesen sein, um es zu verstehen....
Als der Gottesdienst zu Ende war machten wir uns mit der Subway wieder auf den Weg zurück ins Village um uns ein spätes Frühstück zu gönnen, uns wieder bequemer anzuziehen und nicht zuletzt, um uns vom Hotel einen Regenschirm zu borgen, da es inzwischen heftig zu regnen begonnen hatte. Wir sprangen von der Subwaystation direkt ins „Waverly Restaurant“, das an der Ecke Waverly Place und 6th Avenue liegt und nur einen Steinwurf weit von unserem Hotel. Das Waverly ist ein Diner, das rund um die Uhr geöffnet ist und eine typische Nachbarschaftskneipe ist. Die Eggs kommen mit Speck und Hash Browns direkt in der dampfenden Pfanne auf den Tisch und auch der Kaffee ist gar nicht mal so schlecht!
Wer ein chromblitzendes Diner erwartet ist sicherlich enttäuscht, aber wer mit einem old-fashined Restaurant zufrieden ist, dass für „kleines Geld“ gute Hausmannskost serviert, wird mehr als zufrieden sein. Hier sitzt der Ladenbesitzer von Gegenüber an der Theke und liest die Zeitung, der Postmann bringt die Lieferung und nimmt schnell einen Kaffee im Stehen, zwei Kumpels aus der Nachbarschaft diskutieren über das letzte Spiel der Knicks und zwei Hausfrauen tratschen über ihrem Frühstück. Keine Laptops oder Blackberries, aber viel Behaglichkeit und das Gefühl, da irgendwie - wenigstens ein kleines Stück - dazu zu gehören.
Der Regen hielt an, also entschlossen wir uns das 48 Stunden Ticket zu nutzen und uns einen Eindruck von Brooklyn zu verschaffen. Wir fuhren mit der A-Line zur Fulton Street und da der Regen etwas nachgelassen hatte, beschlossen wir uns die Wallstreet und den Finanzdistrikt anzuschauen. Wir bummelten vorbei an der Trinity Church zur Federal Reserve Bank und fotografierten natürlich die Börse aber auch die Federal Hall, wo George Washington seinen Amtseid als erster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ablegte.
Der Regen wurde stärker und wir stellten uns am Southstreet Seaport in die Warteschlange für den Brooklyn Loop. Wir wurden von einer kauzigen alten Dame begrüßt, die uns in kantigem Englisch über Brooklyns Geschichte informierte. Aussteigen mochten wir nicht, da es immer noch stark regnete, aber wir bekamen einen positiven Eindruck von Brooklyn, das sehr viel „gemütlicher“ als Manhattan wirkte und vor allem die vielen „Brownstone“ Häuser gefielen uns sehr gut. Noch mehr faszinierte uns aber die kauzige Lady mit ihrem kantigen Englisch, wie man es von „uns Deutschen“ gewohnt ist. Als die Stadtrundfahrt zu Ende war und die kauzige Lady ihr Mützchen für die Tips abgenommen hatte, konnte es meine Liebste sich nicht verkneifen zu fragen, ob sie aus Deutschland komme. Sie bejahte und fragte uns, wo wir denn herkommen. So stellte sich dann schnell heraus, dass sie früher in dem Frankfurter Stadtteil Bornheim gelebt hatte, genauso wie wir! New York ist halt eben auch nur ein Dorf!
Wieder am Seaport angekommen holten wir uns erst mal einen Kaffee und entdeckten dann beim Bummeln die schöne Aussicht auf die Brooklynbridge, die wir aber völlig unerwartet noch einmal aus nächster Nähe besuchen sollten. Dazu aber mehr am Ende der Reise. Wir bummelten durch den Abercrombie & Fitch Store und ich war überrascht, als ich so ein labberiges Shirt in der Hand hielt. Da hab ich dann doch verzichtet, obwohl ich vor dem Urlaub der Meinung war, dass ich unbedingt so ein Shirt mit
NY drauf haben muss. Weiter gings zu Century 21, das an diesem Tag aber regelrecht von Horden kaufwütiger Damen überrannt wurde. Zwei paar schicke Lederhandschuhe später machten wir uns wieder auf „nach Hause“ ins Village.
Wir hatten noch eineinhalb Stunden bis zu unserem Abendessen in der „Garage Restaurant & Bar“ wo wir für 20:00 Uhr einen Tisch reserviert hatten. Ein Blick in den Moleskin und wir entschieden uns für einen Drink im „The otheroom“ – nein, wirklich nur mit einem „r“ – und ließen uns dort zwei sehr leckere Chardonnay schmecken ließen. Eine sehr gemütliche Nachbarschaftsbar mit Kerzen auf dem Tresen, lederbezogenen Barhockern an der Wand und den Doors im CD Spieler.
Wir bummelten noch ein wenig durch die verwinkelten Gässchen von Greenwich Village und genossen den restlichen Abend bei einem leckeren Steak und schöner Livemusik. Spätestens an diesem Abend hatte mich New York so richtig erwischt....