Und jetzt folgt der für Leser spannendste und für mich aufregendste und nervigste Teil des Trips:
Ich verließ das Museum und hatte mir vorher die Haltestelle „L’Enfant Plaza“ ausgeguckt, von der aus ich zum Flughafen aufbrechen wollte. Der Flieger sollte um 17 Uhr gehen, mit Check-In und Fahrt zum Ronald Reagan Airport hatte ich so 14 Uhr angesetzt, um ein wenig Karenzzeit zu haben. Ich fragte den einzigen Passanten, der mir im Schneegestöber entgegenkam, nach der Haltestelle und fand sie dann auch relativ schnell. Als ich mir ein Ticket für $2.70 kaufte und auf den Bahnsteig ging, stellte ich fest, daß ich der einzige Mensch meiner Hautfarbe dort war. Nun muß man dazu sagen, daß die Haltestellen in Washington alle gleich aufgemacht und sehr düster sind. Und diese Punkte führten doch zu einem gewissen Unbehagen meinerseits. Zudem guckte mich jeder der anderen Fahrgäste an. Ich sah mich schon mit mehreren dieser Zeitgenossen prügeln, die meine Kamera haben wollten und mir vielleicht sogar dabei ein Messer vorhielten. Aber hey, ich hatte Harlem und die Bronx überlebt, dann würde ich „L’Enfant Plaza“ wohl locker schaffen. Nichts von alledem passierte. Als die Bahn kam, stiegen alle ein und es ging los Richtung Airport.
Als die Haltestelle „Pentagon“ näherkam, fiel mir mein zweiter Fehler wieder ein. Warum war ich gestern nicht doch hier ausgestiegen? Jetzt brauchte ich erst gar nicht den Versuch unternehmen. Bei dem Wetter? No chance! Als die Bahn ein Stück weit oberirdisch fuhr, sah ich, daß draußen alles weiß war und es immer noch schneite oder „schneeregnete“, um es korrekter auszudrücken. Also kein Pentagon!
Am Flughafen verließ ich die Metro, rutschte und schlitterte über den Bahnsteig, schob mein Ticket in den Schlitz und das kam immer wieder raus. Hilfe! Was war denn jetzt schon wieder? Ich mußte also die Hilfe eines Metro-Mitarbeiters in Anspruch nehmen, der mir erklärte, daß ich nachzahlen mußte und mir zeigte, wie das ging (siehe oben). Ich schlich (ja, die schmerzenden Füße!) zum Airport und suchte den Schalter von American Airlines. Auf dem Weg dorthin, hielt ich auf den Monitoren schon mal Ausschau nach den Flügen und sah bei fast 90% aller Flüge das Wort „cancelled“. Mein Flug stand noch nicht drauf, so daß ich weiter zu American Airlines ging. Wie man sich selber eine Boardkarte ausdruckte, war mir ja jetzt geläufig. Als ich an einem der Automaten ankam, warf der mir aber eine ganz andere Flugnummer raus. Anstatt Abflug 17 Uhr sollte der Flug nun am nächsten Tag um 9 Uhr gehen. Als Erläuterung stand dort nur, daß der Flug geändert wurde. Sonst nichts. Na prima! Kurzer Blick auf die Uhr: Wir hatten jetzt knapp 14 Uhr. Das hieß also für mich, daß ich nun 19 Stunden warten müßte. Was soll man bitte 19 Stunden am Flughafen machen??? Die Zeit hätte man mit Sicherheit sehr gut nutzen können, wenn man keine Blasen an den Füßen gehabt hätte und noch halbwegs laufen hätte können. Tja, hätte ich mal besser andere Schuhe… Verdammte Scheiße!!! Auf den Schreck erstmal etwas essen, hatte ich ja heute noch nicht. Und mittlerweile knurrte der Magen im Gleichtakt mit den stechenden Schmerzen in den Füßen.
Während des Essens überlegte ich mir meine Optionen:
1. Ich könnte wieder zurück in die Stadt, noch etwas anschauen und dann am Abend zurück zum Flughafen, um in der Halle halbwegs zu nächtigen. Gute Idee? Nein, denn zum einen war ja noch nicht einmal klar, ob der Flug am nächsten Morgen gehen würde. Und zum zweiten ließen meine Füße das nun wirklich nicht zu.
2. Ich könnte von vornherein am Flughafen bleiben und 19 Stunden warten. Aber was macht man 19 Stunden an einem kleinen Flughafen, an dem man in 10 Minuten beide Terminals gesehen hat? Und vielleicht würde sich das Wetter ja nicht bessern und der morgige Flug ebenfalls abgesagt. Also auch keine wirkliche Option.
3. Nach dem Essen könnte ich mit der Metro wieder in die Stadt fahren, im gleichen Hotel nach einem Zimmer fragen und am Morgen dann wieder zum Flughafen fahren. Da war wieder das Problem mit dem Flug. Und vielleicht gäbe es ja auch gar kein Zimmer mehr. Also verworfen!
4. Ich hatte ja noch die Reservierungen für Megabus für den heutigen Abend. Die Abfahrtzeit wäre gar kein Problem gewesen, nur hatte ich leider die Reservierung in New York gelassen. Fehler Nummer sieben.
5. Ab zur Union Station und mit dem Zug nach Hause. Scheiß auf die zusätzlichen Kosten, denn ich wollte unbedingt wieder zurück nach New York. Diese Möglichkeit erschien mir am besten. Also los!
Die Fahrt mit der Metro führte quer durch die Stadt und ich mußte einmal umsteigen. Aber so sah ich die Union Station wenigstens auch mal, was die Füße tagsüber nicht mehr zuließen. Ich suchte den Amtrak-Schalter und kaufte mir für $120 ein Ticket. Der Zug sollte in knapp dreißig Minuten abfahren und das Boarding zwanzig Minuten vorher beginnen. Ich ließ mir von dem sehr freundlichen Mann am Schalter alles genau erklären, damit ich nachher nicht in Miami oder sonstwo landete. Es blieb mir noch genug Zeit, um mir für die Fahrt etwas zu trinken zu kaufen.
Während ich dann auf das Boarding wartete, kamen alle paar Sekunden Durchsagen von ausfallenden Zügen. Gott sei Dank war der Zug, den ich nehmen wollte, nicht dabei. Zehn Minuten nach der angekündigten Zeit konnten wir Fahrgäste dann endlich in den Zug. Als ich in einem Großraumabteil war, dachte ich zunächst, daß es sich um die 1. Klasse handelte, denn die Sitze waren alle sehr gut gepolstert und die Beinfreiheit war ein Traum. Zudem gab es Free Wi-Fi für alle und Steckdosen an jedem Sitzplatz. Wahnsinn! Ich bin in Deutschland schon mal 1. Klasse mit der Deutschen Bahn gefahren – und das ist ein Dreck dagegen. Wenn ich falsch sitzen würde, würde mir der Schaffner das wohl schon sagen, aber nichts passierte, als das Ticket kontrolliert wurde.
Unterwegs kam dann Mißgeschick Nummer acht dazu, für das ich allerdings nichts konnte. Der Zug hatte einen Motorschaden und mußte repariert werden. Kurz zuvor waren schon alle Lichter im Zug, die Lüftung und die Steckdosen ausgegangen. Aber der unplanmäßige Aufenthalt dauerte zum Glück nicht lange und schon rollte der Amtrak wieder. Und so kam ich wenigstens auch mal nach Delaware oder Philadelphia. Das war zumindest das einzig Positive daran.
An der Penn Station kamen wir mit ein wenig Verspätung an. Endlich war ich wieder in New York! Ich humpelte zur Subway und fuhr „nach Hause“. Nach einem Burger bei Pete’s Grill ging ich ins Hotel. In New York waren die Straßen auch alle verschneit und glatt und es waren -11 Grad. Die paar Meter von der Subway zum Hotel waren auch ohne Handschuhe zu schaffen. Im Zimmer stellte ich erst einmal die Heizung an und warf meine Sachen auf’s Bett. Nach dem BBQ-Burger hatte ich ein wenig Brand. Aber im Kühlschrank hatte ich ja noch zwei Flaschen Coke Zero. Herrlich! Doch Mißgeschick Nummer neun vereitelte das Löschen meines Durstes, denn beide Flaschen waren über die zwei Tage gefroren. Wirklich herrlich!
Jetzt mußten erstmal alle Akkus geladen werden. Mein Garmin war leer, meine kleine Kompaktkamera auch und dann wollte ich auch den Akku meiner DSLR laden. Und jetzt kommt’s: Ich hatte das falsche Ladegerät für meine große Kamera eingepackt, so daß ich deren Akku nicht laden konnte. Damit machte ich Nummer zehn komplett und schloß so ganz passend den Trip nach Washington ab.
Im Nachhinein werde ich mich wahrscheinlich das ein oder andere Mal köstlich amüsieren können, über das, was sich in den beiden Tagen D.C. abgespielt hat, aber im Augenblick war mir nicht nach Lachen zumute. Ich knallte mich auf’s Bett, versprach meinen Füßen Ruhe und schaute mir noch die gemachten Bilder an, bevor ich dann einschlief.
Fazit:
Washington, D.C. ist durchaus eine Reise wert und bietet auf engstem Raum sehr viele Sehenswürdigkeiten. Für mich persönlich war der Trip von Anfang an mit Megabus geplant, deren Tickets ich aber verfallen ließ, weil ich dann aufgrund der Zeitersparnis doch mit dem Flieger anreiste. Daß ich die Rückreise dann aufgrund höherer Gewalt mit Amtrak machte, daran wagte ich am Montag bei Temperaturen von +15 Grad in meinen kühnsten Träumen nicht zu denken. Daß die Temperatur innerhalb von knapp 12 Stunden (von abends bis morgens) um mehr als 20 Grad fiel, machte den Trip wohl einmalig. Gerade am zweiten Tag konnte man mit zunehmender Dauer dem immer schlechter werdenden Wetter zuschauen. Würde ich noch einmal nach Washington reisen? Ich alleine bestimmt nicht, denn ich hab ja jetzt eigentlich das gesehen, was ich sehen wollte. Vielleicht nimmt man das irgendwann einmal auf einem Roadtrip für einen Tag nochmal mit, aber ansonsten zieht mich nichts noch einmal nach D.C. Aber wir haben ja gelernt, daß sich alles innerhalb kürzester Zeit ändern kann…