11. September 2015
Heute sehen wir Halifax in Kanada. Aber sehen ist zu viel gesagt. Wir können schauen soviel wir wollen, wir sehen nichts, absolut nichts. Es herrscht so dichter Nebel, dass wir gar nichts sehen. Unser Schiff scheint sich jedoch langsam auf den Hafen zu zu bewegen.
Wir vertrauen auf die Ortungsgeräte an Bord und gehen erst mal frühstücken. Da in Halifax der Landgang erst um 10 Uhr startet, sind auch wir heute etwas später. Im Buffet Restaurant ist es sehr voll. Wir beschließen uns zunächst einen Tisch zu suchen, damit wir nachher mit den Tellern nicht so lange durchs Restaurant rennen müssen. Ein Kellner räumt gerade einen Tisch ab und wir lassen schon Mal unsere schicken orangen Carnival Becher und meine Jacke dort am Tisch. Ich besorge mein Obst und den Joghurt und bin als erste wieder am Tisch. Schon von weitem höre ich eine ältere Dame laut Husten. Man, spätestens wenn man sich so anhört, sollte man das Rauchen doch echt einstellen. Das hört sich wirklich nicht lecker an und ich muss zugeben, dass ich hoffe, dass die nicht neben uns sitzt. Sonst bekomme ich mein Obst nicht runter und muss umziehen. Als ich zu unserem Tisch komme sehe ich, dass sie zum Glück nicht bei uns sitzt sondern im Gang steht. Ich gehe an ihr vorbei zu unserem Tisch, wo der Kellner immer noch am Abräumen ist. Als ich meine Sachen auf den Tisch stellen möchte, erklärt sie mir, dass dies ihr Tisch ist, da sie dort wartete. Ich muss sie leider verbessern und zeige auf Becher und Jacke. Da geht sie mit ihrem Raucherhusten von dannen. Hab irgendwie ein schlechtes Gewissen. Jedem anderen hätte ich angeboten den Tisch zu teilen. Aber nö, das ertrage ich wirklich nicht!
Marc kommt mit seinem Rührei und seinem Bacon zu mir und wir quatschen beim Essen ein wenig mit dem Paar am Nachbartisch.
Nach dem Frühstück gehen wir nach oben um das Einlaufen in den Hafen zu „sehen“. Auf dem Lido Deck sind alle Liegen mit Handtüchern belegt. Jedoch nicht im Mallorca Style um Plätze frei zu halten, sondern mit süßen Handtuchkreationen. Es gab wohl einen Kurs für die Gäste und auf den Liegen tummeln sich die verschiedensten Tiere aus Handtüchern.
Ganz oben ist immer noch nicht viel zu sehen. Dafür aber umso mehr zu hören. Der Kapitän lässt ständig das Horn erklingen. Macht bei dem Nebel auch sicher Sinn. Wir spielen eine Rund Minigolf, um uns die Wartezeit zu vertreiben. Machen uns über die Durchsagen lustig. Es wird alle 10 Minuten durchgesagt, dass wir noch nicht fertig sind, um da Schiff verlassen zu können. Und die Gäste sollen bitte nicht in die Lobby Bar kommen um dort zu warten. Da die Durchsage ständig wiederholt wird, können wir uns gut vorstellen, wie viele trotzdem dort hin rennen und was dort für ein Chaos herrscht. Also ab zur Bar und die Wartezeit mit einer Cola überbrücken. Marc testet eine Sorte, die es bei uns nicht gibt. Stellt sich als eine Art Cherry Coke heraus. Ekelhaft süß! Nachdem der erste Schwung Passagiere von Bord ist, schlendern wir zur Kabine um unsere Sachen zu holen. Dann gehen wir von Bord. Halifax ist um einiges grösser als die gestrige Stadt. Auf den angebotenen Karten gibt es zwei Vorschläge, um die Stadt zu Fuß zu erkunden. Den Halifax Harborwalk mit 3 Kilometer Länge und die „suggested walking route“ durch die Stadt mit 6 Kilometern Länge. Wir entscheiden uns für beide. Fangen mit der längeren an und marschieren Richtung Downtown Halifax. Es ist noch immer sehr nebelig. Aber je weiter wie vom Wasser wegkommen, desto besser wird es mit der Sicht.
Ziemlich zu Beginn unseres Rundgangs entdecken wir einen alten Friedhof. Und wir werden auch gleich entdeckt. Von dem unzufriedenen „Ritter“ von gestern. Dieser erkennt uns gleich wieder und lädt uns zu einer „Sippung“ ein, die heute Abend auf dem Schiff stattfinden soll. Er erklärt uns, dass jedoch nur die Männer daran teilnehmen dürfen. Die Burgfrauen dürfen nur zu besonderen Anlässen anwesend sein. Immerhin sei das alles sehr elitär. Ne schon klar. Da erkläre ich ihm doch mal, dass ich keinen gesteigerten Wert darauf lege Burgfrau zu werden. Immerhin bin ich Müllerin. Und das finde ich persönlich viel cooler. Ich wohne mit meinem Schatz und seinen Eltern in einer alten Wassermühle und darf mich immer mit an den Tisch setzten, ätsch!
Wir schlendern weiter durch die Stadt. Hier in Halifax findet am Wochenende ein großes Country Festival statt. Hört sich interessant an. An allen Kneipen hängt Werbung dafür. Ist bestimmt gut was los.
In der Nähe Uni weichen wir von der vorgeschlagenen Route ab und erkunden ein paar kleine Seitenstraßen. Hier gibt es neben einigen Food Trucks auch eine kleine Fußgängerzone mit verschiedenen Restaurants. Wir entschließen uns eine lokale Burgerschmiede zu testen. Nicht schlecht, aber wir haben schon bessere Burger gegessen.
Als ich unseren Müll wegbringe fällt mir der Ketchup runter und trifft genau meinen Fuß. Sche...! Die nette Bedienung sagt, dass das ständig passiert und reicht mir schnell Tücher. Die Öffnung für den Müll ist bei näherer Betrachtung auch so klein, dass es beinahe zwangsläufig die Pappbecher vom Tablett hat. Eine größere Öffnung würde sicher Napkins sparen!
Weiter geht es durch die Stadt. In der Innerstadt hat sich der Nebel beinahe verzogen. Es ist sehr angenehm von den Temperaturen und auch die lange Strecke ist gut zu schaffen. Kein Vergleich zu der Gluthitze in Boston.
Besonders begeistern uns die Public Gardens. Wow, die sollte man wirklich nicht verpassen. Ein Traum von einem Park mit wunderschön angelegten Blumenbeeten. Alles unheimlich gut in Schuss und total gepflegt. Die einzelnen Blumensorten sind akribisch beschriftet. Man sieht auch überall Gärtner bei der Arbeit die alles sauber halten. Das wäre ja kein Job für mich. Ich finde zwar Rasenmähen ganz cool, aber auch nur weil ich das bei unserer Fläche zu Hause als Sport betrachte. Aber Unkraut jäten und so was, gähn!
Weiter geht es Richtung der Halifax Citadel. Von hier oben hat man einen tollen Blick. Auf Schautafeln informieren wir uns über die große Explosion von Halifax, die Bedeutung des Hafens etc.. Wirklich interessant.
Marc entdeckt ein Eishockeystadion und wir gehen dorthin. Drinnen wird es mal wieder Zeit uns auf die Suche nach den Restrooms zu machen, hier in Kanada übrigens als Washrooms ausgeschildert. Aber hier gibt es keine Schilder. Ein netter Security Mann, der wohl gerade Mittagspause hat und ein Sandwich isst, sieht unsere suchenden Blicke und lässt es sich nicht nehmen uns mit seinem Sandwich in der Hand persönlich bis zu den gesuchten Räumlichkeiten zu bringen. Man, die Kanadier laufen den Amerikanern in Sachen Freundlichkeit echt noch den Rang ab. Die sind ja wirklich alle Zucker! Marc erzählt mir, dass er sich gut vorstellen kann in Kanada Urlaub zu machen das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen und sehe mich schon in traumhaften Nationalparks Elche fotografieren.
Da bin ich dabei.
Muss nur gut geplant sein, da werde ich wohl heute Abend mal einen Kanada Reiseführer bei Amazon ordern.
Nur campen ist nicht. Das kann ich mir von der Backe schmieren.
Zum Zelten hat Marc zwei ganz klare Regeln:
1. Gehe die erste Nacht ins Hotel
2. Blieb da!
Aber ich bin davon überzeigt, dass es in Kanada bestimmt süße kleine Hotels gibt. Das wird schon.
Nun aber erst mal diesen Urlaub in vollen Zügen genießen. Nachdem Marc sich die Sportausstellung im ersten Stock angeschaut hat, dränge ich Richtung Shopping Center. Zeit für einen Kaffee. Bei Tim Hortons gibt es einen Iced Cappuccino. Mit dem in der Hand schlendern wir Richtung Ausgang. Hhhm, irgendwie verlaufen. Tausend Gänge und kein Ausgang!? Aber was ist das? In einem Gang höre ich live Musik. Einfach mal eine Tür aufgemacht und wir stehen in der Lobby von einem schicken Hotel. Hier ist eine Bühne aufgebaut und ein Schild verrät, dass hier Promo Konzerte abgehalten werden. Cool. Mal wieder dusselig angestellt und Schwein gehabt! Der junge Mann der mit seiner Gitarre auf der Bühne steht ist zwar eher Typ Nerd, spielt aber wirklich gut und wir bleiben ein wenig dort. Im Hotel checken haufenweise Musiker ein. Fast jeder trägt eine Gitarre unterm arm. Witzig. Ich könnte noch stundenlang der Musik lauschen, aber das Schiff wartet ja leider nicht. Also geht es durchs Marriott runter zum Hafen.
Dort wartet der Harbor Walk auf uns. Echt alles nett für die Tourimassen hergerichtet und schön anzusehen. Ein Jogger kommt um eine Ecke gerannt und lässt sich plötzlich fallen. Als er nicht weiter läuft und mit schmerzverzerrtem Gesicht an einer Hauswand lehnt, nehmen wir uns mal ein Beispiel an den netten Kanadiern und gehen zu ihm. Aber er hat nur einen Krampf im Bein und kommt klar. Also geht es weiter Richtung Carnival.
Das Einchecken verläuft problemlos. Wir machen es uns an Deck gemütlich und surfen ein wenig im Internet. Ich komme auf alle Seiten, nur nicht auf den NYC Guide. Hm, muss ich mit dem Hochladen des Berichtes wohl noch warten, bis wir wieder an Land sind.
Am Abend ist wieder elegant ausgerufen. Also das Kleid wieder aus dem Schrank gekramt. Da bei mir Duschen mit Haare angesagt ist, sind wir ziemlich spät und bekommen sofort einen schönen Tisch am Fenster.
Als wir unseren Hauptgang beendet haben steuert der meckernde Typ vom Vorabend auf unseren Tisch zu. Er und seiner ebenfalls griesgrämig dreinblickenden Begleitung wird der Nachbartisch zugewiesen. Wir können ja nicht immer Glück haben! Erst reden die beiden kein Wort. Aber als er irgendwann anfängt über die Kellner zu meckern, haben sie anscheinend ihr Lieblingsthema gefunden.
Angeblich sind diese total unfähig und verstecken sich ständig, sind faul, arrogant und zu langsam. Ok, wir wurden jeden Abend sehr nett und freundlich bedient. Aber Kellner sind auch nur Menschen und wenn ich zwei so „sympathische“ Menschen am Tisch hätte, wäre ich als Kellner auch weg
.
Natürlich müssen die beiden viel zu lange auf ihr Essen warte und er jammert ausführlich darüber, dass er nun schon Brot essen muss. Bin ja kurz davor ihm mal vorzuschlagen einfach früher zum Essen zu gehen. Dann schafft man es auch mal fünf Minuten zu warten.
Aber ich bin ja nicht so und halte mal die Klappe.
Ich halte mir ja eigentlich zu Gute, dass ich mit fast jedem klar komme und immer schnell Kontakt zu Leuten habe. Aber das Paar lässt mir echt die Nackenhaare hochstehen. Nach weiteren 20 Minuten Gemecker über alles und jeden bin ich kurz davor ihm meine Gabel in den Oberschenkel zu pieksen. Dann hätte er mal einen Grund zum Jammern.
Aber wir entscheiden uns für die Flucht an die Bar. Hier ist ein Sänger auf der Bühnne der die anderen (komischerweise alle gut gelaunten) Gäste unterhält.
Irgendwann zieht es uns jedoch ins Bett. Sind ja heute nicht nur die vorgegeben Routen sondern auch noch kreuz und quer durch Halifax gelaufen und haben echt einige Kilometer zurückgelegt.
Also ab in die Kabine und noch eine Folge Greys Anatomy vorm Einschlafen.
Blöd nur, dass die Folge so dramatisch ist und ich mal wieder sehr mitleide. Aber Carnival denkt auch an Heulsusen wie mich und wir haben gleich mehrere Pakte Kleenex auf dem Zimmer
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